MMT – Schulden ohne Ende?

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MMT steht für Moderne Geldtheorie (Modern Monetary Theory). Sie ist eine volkswirtschaftliche Theorie, die besagt, dass Länder mit einer souveränen Währung (d. h. Länder, die ihre eigene Währung ausgeben und nicht an eine Fremdwährung oder den Goldstandard gebunden sind) praktisch unbegrenzt Geld schaffen können, um ihre wirtschaftlichen Ziele zu erreichen, insbesondere Vollbeschäftigung und wirtschaftliches Wachstum.

⚠️Haftungsausschluss

Grundannahmen der MMT:

 1. Regierungen mit eigener Währung sind nicht haushaltsbeschränkt – Sie können theoretisch unbegrenzt Geld ausgeben, solange es in ihrer eigenen Währung geschieht.

 2. Steuern dienen nicht primär der Finanzierung der Regierungsausgaben – Stattdessen sollen sie Inflation regulieren, Ungleichheit reduzieren und wirtschaftliche Anreize steuern.

 3. Staatsverschuldung ist kein Problem, solange sie in der eigenen Währung aufgenommen wird – Da die Regierung immer neues Geld schaffen kann, kann sie ihre Schulden jederzeit zurückzahlen.

 4. Inflation ist die einzige echte Einschränkung – Zu hohe Staatsausgaben können Inflation verursachen, weshalb die Regierung ihre Ausgaben entsprechend steuern muss.

 5. Die Zentralbank und der Staat sind eng verbunden – Die Unabhängigkeit der Zentralbank wird infrage gestellt, da sie letztlich im Auftrag des Staates agiert.

Kritik an der MMT:

  • Inflationsrisiko: Kritiker befürchten, dass eine zu expansive Geldpolitik zu Hyperinflation führen kann (z. B. Venezuela oder Simbabwe).
  • Vertrauen in die Währung: Eine zu starke Geldschöpfung könnte das Vertrauen in die Währung schwächen.
  • Politische Missbrauchsgefahr: Es besteht das Risiko, dass Regierungen MMT nutzen, um populistische Maßnahmen zu finanzieren, ohne langfristige wirtschaftliche Stabilität zu gewährleisten.

Befürworter der MMT argumentieren jedoch, dass die Theorie besonders in Krisenzeiten sinnvoll ist, da sie der Regierung mehr Handlungsspielraum gibt, um Arbeitslosigkeit zu bekämpfen und wirtschaftliche Stabilität zu gewährleisten.

Empirische Beweise für das Funktionieren der MMT

Das Funktionieren der Modernen Geldtheorie (MMT) ist umstritten, da es bisher kaum Beispiele gibt, in denen ein Land explizit eine MMT-basierte Wirtschaftspolitik verfolgt hat. Dennoch gibt es Fälle, in denen einige ihrer Prinzipien angewendet wurden – mit gemischten Ergebnissen.

Länder, die sich MMT-ähnlich verhalten haben

Obwohl kein Land offiziell erklärt, dass es die MMT vollständig anwendet, gibt es Länder, die sich zumindest in bestimmten Aspekten danach richten:

1. Japan

  • Japan hat seit Jahrzehnten hohe Staatsausgaben und eine der höchsten Schuldenquoten weltweit (über 250 % des BIP).
  • Trotz dieser hohen Verschuldung erlebt Japan keine hohe Inflation oder Währungsabwertung.
  • Die japanische Zentralbank hält einen großen Teil der Staatsschulden und finanziert indirekt Regierungsprogramme – ein MMT-ähnlicher Ansatz.

2. USA (seit der Finanzkrise 2008 und während der Corona-Pandemie)

  • Die US-Regierung hat in Krisenzeiten hohe Defizite finanziert, insbesondere mit der Federal Reserve als Käufer von Staatsanleihen (Quantitative Easing).
  • Während der Corona-Pandemie 2020/21 gab es massive Staatsausgaben ohne direkte Steuererhöhungen, ähnlich der MMT-Idee.
  • Die Inflation blieb bis 2021 niedrig, stieg aber danach deutlich an, was Kritiker als Warnsignal für MMT sehen.

3. Argentinien und Venezuela (Negativbeispiele)

  • Diese Länder haben über lange Zeiträume hinweg Staatsausgaben durch direkte Geldschöpfung finanziert.
  • Ergebnis: Hohe Inflation bzw. Hyperinflation und ein Vertrauensverlust in die Währung.
  • Dies wird von Kritikern als Beweis dafür angeführt, dass unbegrenzte Defizitfinanzierung nicht funktioniert.

Gibt es empirische Beweise für MMT?

Positiv: Japan zeigt, dass hohe Staatsverschuldung und Geldschöpfung nicht zwangsläufig zu Inflation führen müssen, solange es eine starke Nachfrage nach der Währung gibt.

Negativ: Länder wie Argentinien und Venezuela zeigen, dass exzessive Geldschöpfung ohne produktives Wachstum zu Inflation und Währungsabwertung führen kann.

Fazit

Es gibt keine eindeutigen Beweise, dass MMT in jeder Situation funktioniert. In stabilen, entwickelten Volkswirtschaften mit hoher Währungsnachfrage (z. B. Japan, USA) scheinen einige MMT-Prinzipien anwendbar zu sein. In Ländern mit schwachen Institutionen oder geringem Vertrauen in die Währung kann eine unkontrollierte Geldschöpfung jedoch schwerwiegende wirtschaftliche Folgen haben.

Wie hängt die Abschaffung des Goldstandards mit der MMT zusammen?

 1. Goldstandard und monetäre Begrenzung

  • Unter dem Goldstandard (bis 1971) war die Geldmenge an Goldreserven gebunden. Staaten konnten nicht unbegrenzt Geld ausgeben, da sie ihre Währung in Gold umtauschbar halten mussten.
  • Staatsverschuldung hatte also eine natürliche Grenze, weil Regierungen ihre Schulden nur in dem Maße ausweiten konnten, wie sie Goldreserven besaßen.

 2. Fiat-Geld und monetäre Souveränität

  • Mit dem Ende des Bretton-Woods-Systems 1971 (Abschaffung der Golddeckung des US-Dollars durch Nixon) konnten Zentralbanken Geld unabhängig von Goldreserven schaffen.
  • Dies eröffnete die Möglichkeit für Regierungen, Defizite in ihrer eigenen Währung theoretisch unbegrenzt zu finanzieren, ohne Gefahr zu laufen, Goldreserven zu erschöpfen.
  • Genau hier setzt die MMT an: Wenn eine Regierung ihre eigene Währung ausgibt, kann sie laut MMT nie insolvent werden, weil sie ihre Schulden immer mit selbst geschaffenen Währungseinheiten zurückzahlen kann.

Historische Entwicklung der MMT

Die Ursprünge der MMT liegen in der postkeynesianischen Wirtschaftstheorie und reichen bis ins frühe 20. Jahrhundert zurück. Einige wichtige Vorläufer und Entwicklungen:

 1. Knapp’s “Staatliche Theorie des Geldes” (1905)

  • Georg Friedrich Knapp argumentierte, dass Geld in erster Linie durch den Staat definiert wird und nicht durch einen intrinsischen Wert wie Gold.
  • Diese Idee legte den Grundstein für das Konzept, dass Geld durch staatliche Autorität und nicht durch Gold gedeckt ist.

 2. Keynesianismus und Kriegsfinanzierung (1930er–1940er)

  • John Maynard Keynes betonte die Rolle des Staates in der Wirtschaft und zeigte, dass hohe Staatsausgaben (auch über Schulden finanziert) notwendig sein können, um Arbeitslosigkeit zu bekämpfen.
  • Während des Zweiten Weltkriegs finanzierten viele Länder ihre Ausgaben durch Schulden und Geldschöpfung, was in der Praxis MMT-ähnliche Mechanismen nutzte.

 3. Postkeynesianismus (1950er–1970er)

Nach der Abschaffung des Goldstandards begannen Ökonomen wie Hyman Minsky und Abba Lerner, die Idee weiterzuentwickeln, dass Staaten ihre eigene Währung kontrollieren und dadurch makroökonomische Stabilität steuern können.

 4. Moderne Formulierung durch Warren Mosler (1990er)

  • Warren Mosler, ein Hedgefonds-Manager und Ökonom, gilt als einer der Hauptvertreter der MMT.
  • Er formulierte viele der heutigen MMT-Konzepte und argumentierte, dass Staatsverschuldung kein Problem sei, solange sie in der eigenen Währung besteht.

Fazit

Die MMT ist nicht direkt aus der Abschaffung des Goldstandards entstanden, aber ohne diesen Schritt wäre sie nicht denkbar. Der Übergang zu einem fiat-basierten Geldsystem hat die theoretische Grundlage dafür geschaffen, dass Staaten ihre eigenen Währungen ohne externe Begrenzungen ausgeben können. Die MMT baut auf diesen Entwicklungen auf und erweitert sie um die These, dass Staatsausgaben und -verschuldung nicht per se problematisch sind, solange Inflation unter Kontrolle bleibt.

Ist MMT für Deutschland im Euroraum möglich?

Kurz gesagt: Nein, zumindest nicht in ihrer vollen Form. Der Hauptgrund dafür ist, dass Deutschland keine eigene Währung ausgibt, sondern den Euro nutzt, der von der Europäischen Zentralbank (EZB) kontrolliert wird. MMT setzt jedoch voraus, dass eine Regierung monetär souverän ist, also uneingeschränkte Kontrolle über ihre eigene Währung hat.

Warum kann Deutschland MMT nicht direkt anwenden?

 1. Deutschland gibt den Euro nicht selbst aus

  • Nach MMT könnte ein Staat mit eigener Währung unbegrenzt Geld schaffen und seine eigenen Schulden bedienen.
  • Deutschland kann das nicht, weil es keine eigene Zentralbank mit voller Kontrolle über die Geldpolitik hat.
  • Die EZB entscheidet über die Geldmenge für alle Euro-Staaten – Deutschland kann also nicht einfach neue Euros drucken, um Staatsausgaben zu finanzieren.

 2. Schuldenbremse und EU-Regeln begrenzen Defizite

  • Deutschland unterliegt der Schuldenbremse (im Grundgesetz verankert) und dem Stabilitäts- und Wachstumspakt der EU.
  • Diese Regeln beschränken das jährliche Haushaltsdefizit und die Gesamtverschuldung – das ist das Gegenteil von MMT, die unbegrenzte Defizitfinanzierung zulassen würde.

 3. Die EZB ist nicht an nationale Regierungen gebunden

  • Nach MMT soll die Zentralbank mit der Regierung zusammenarbeiten, um Staatsausgaben zu finanzieren.
  • Die EZB ist jedoch unabhängig und darf nicht direkt Staaten finanzieren (Verbot der monetären Staatsfinanzierung, Artikel 123 AEUV).
  • Zwar hat die EZB in Krisenzeiten Staatsanleihen gekauft (z. B. in der Eurokrise oder während der Corona-Pandemie), aber das geschieht indirekt und nicht auf Anweisung einzelner Staaten.

Gibt es dennoch MMT-ähnliche Elemente in der Eurozone?

Einige Maßnahmen der EZB kommen MMT-Ansätzen nahe, auch wenn sie offiziell nicht als solche bezeichnet werden:

  • Anleihekaufprogramme (Quantitative Easing, PEPP-Programm)
  • Die EZB hat in der Vergangenheit große Mengen an Staatsanleihen gekauft, um Länder mit hoher Verschuldung zu stabilisieren (z. B. Italien, Spanien).
  • Das erinnert an die MMT-Idee, dass der Staat sich unbegrenzt verschulden kann, solange die Zentralbank unterstützend eingreift.
  • Coronahilfen und hohe Defizite
  • Während der Corona-Pandemie hat die EU teilweise die Defizitgrenzen gelockert, und die EZB hat massiv Staatsanleihen gekauft.
  • Das zeigt, dass in Ausnahmesituationen MMT-ähnliche Maßnahmen genutzt werden, aber nicht als permanente Strategie.

Was müsste sich ändern, damit MMT in Deutschland funktionieren könnte?

 1. Deutschland müsste aus dem Euro austreten

  • Nur mit einer eigenen Währung (z. B. einer neuen D-Mark) könnte Deutschland theoretisch unbegrenzt Geld drucken.
  • Ein Euro-Austritt wäre allerdings wirtschaftlich und politisch hochriskant.

 2. Die EZB müsste MMT-konform handeln

  • Die EZB müsste direkt Staatsausgaben finanzieren, was derzeit verboten ist.
  • Das würde bedeuten, dass die Geldpolitik nicht mehr unabhängig wäre, sondern von politischen Entscheidungen bestimmt wird.

 3. Die EU müsste ihre Schuldenregeln abschaffen

Die Maastricht-Kriterien und die Schuldenbremse müssten wegfallen, um eine Politik unbegrenzter Staatsausgaben zu ermöglichen.

Fazit: MMT und Deutschland im Euro-Raum

Deutschland kann die MMT nicht direkt anwenden, weil es nicht monetär souverän ist. Ohne Kontrolle über die Geldpolitik und mit den strengen Haushaltsregeln der EU sind die zentralen MMT-Mechanismen nicht umsetzbar.

Allerdings zeigen Krisenmaßnahmen (wie die Anleihekaufprogramme der EZB), dass einige MMT-Ideen in begrenztem Maße Anwendung finden – aber immer mit Einschränkungen und nicht als dauerhafte Strategie.