Investoren sind ständig auf der Suche nach Strategien, um ihre Renditen zu optimieren und Risiken zu minimieren. Neben klassischen Anlageformen wie passiven ETFs und aktiv gemanagten Fonds hat sich in den letzten Jahren eine Hybridstrategie etabliert: Smart Beta und Faktor-Investing. Diese Ansätze basieren auf wissenschaftlichen Erkenntnissen und nutzen systematische Faktoren, um langfristig eine bessere Rendite als der Markt zu erzielen.
Doch wie funktionieren Smart Beta und Faktor-Investing? Welche Faktoren spielen eine Rolle? Und für wen sind diese Strategien geeignet? Dieser Artikel gibt einen umfassenden Überblick über die Wissenschaft hinter besserer Rendite.
Grundlagen – Was ist Smart Beta und Faktor-Investing?
Smart Beta – Eine Mischung aus passiv und aktiv
Smart Beta ist ein regelbasierter Investmentansatz, der Elemente von passivem Investieren (wie ETFs) mit aktiven Strategien kombiniert. Während klassische ETFs nach Marktkapitalisierung gewichtet sind (z. B. der S&P 500 oder der MSCI World), verfolgt Smart Beta alternative Gewichtungsmethoden, um bessere Renditen oder geringeres Risiko zu erzielen.
Beispiele für Smart-Beta-Strategien:
- Gleichgewichtete Indizes (Equal-Weighted): Alle Aktien im Index werden gleich gewichtet, anstatt nach Marktkapitalisierung.
- Dividenden-Strategien: Höhere Gewichtung von Aktien mit überdurchschnittlichen Dividendenrenditen.
- Minimale Volatilität: Fokus auf Aktien mit historisch geringen Kursschwankungen.
Faktor-Investing – Die Wissenschaft hinter Outperformance
Faktor-Investing basiert auf der Erkenntnis, dass bestimmte Risiko- und Renditefaktoren langfristig überdurchschnittliche Erträge erzielen können. Wissenschaftliche Studien (u. a. von Fama & French) haben gezeigt, dass Aktien mit bestimmten Merkmalen systematisch höhere Renditen erwirtschaften als der Gesamtmarkt.
Die wichtigsten Faktoren:
- Value (Bewertung) – Günstig bewertete Aktien schlagen teure Aktien langfristig.
- Momentum – Aktien, die in der Vergangenheit gut liefen, tendieren dazu, weiterzusteigen.
- Size (Größe) – Kleine Unternehmen haben historisch höhere Renditen als große Konzerne.
- Quality (Qualität) – Unternehmen mit stabilen Bilanzen und hohen Gewinnen sind langfristig erfolgreicher.
- Low Volatility – Aktien mit geringer Schwankung bieten oft ein besseres Risiko-Rendite-Verhältnis.
Während Smart Beta meist nur eine Regel (z. B. Gleichgewichtung) anwendet, kombiniert Faktor-Investing gezielt mehrere Faktoren, um eine Outperformance zu erzielen.
Warum funktionieren diese Faktoren?
Die Überrenditen durch Faktor-Investing sind gut dokumentiert und lassen sich durch wirtschaftliche und psychologische Effekte erklären:
- Risikoprämien: Bestimmte Faktoren (wie Value oder Small Caps) bieten höhere Renditen, weil sie mit zusätzlichen Risiken verbunden sind.
- Marktineffizienzen: Investoren verhalten sich irrational, wodurch Chancen entstehen (z. B. überverkaufte Value-Aktien).
- Anlegereffekte: Viele Anleger meiden Volatilität oder unterschätzen Momentum-Effekte, wodurch Faktor-Strategien langfristig profitieren.
Langfristig lassen sich diese Effekte in verschiedenen Märkten und Zeiträumen beobachten.
Umsetzung: Wie kann man in Smart Beta und Faktoren investieren?
Faktor-ETFs und Smart-Beta-ETFs
Viele Anbieter (z. B. iShares, Vanguard, Xtrackers) bieten ETFs an, die einzelne Faktoren oder mehrere kombinieren:
- iShares Edge MSCI World Value Factor ETF – Fokus auf günstig bewertete Aktien.
- Xtrackers MSCI Momentum ETF – Bevorzugt Aktien mit starkem Kurswachstum.
- Vanguard Minimum Volatility ETF – Niedrig-volatiles Portfolio für defensive Anleger.
Diese ETFs ermöglichen eine einfache, kostengünstige Umsetzung von Faktor-Strategien.
Multifaktor-Strategien
Anstatt nur auf einen Faktor zu setzen, kombinieren viele Strategien mehrere Faktoren gleichzeitig. Beispiele:
- Value + Quality: Günstig bewertete Aktien mit hoher Profitabilität.
- Momentum + Low Volatility: Wachstumsstarke Aktien mit geringen Schwankungen.
- Size + Value: Kleine Unternehmen mit niedriger Bewertung.
Multifaktor-ETFs sind besonders beliebt, da sie das Risiko einzelner Faktoren reduzieren und trotzdem Überrenditen anstreben.
Einzelaktienauswahl nach Faktoren
Fortgeschrittene Investoren können gezielt Aktien auswählen, die mehrere Faktoren vereinen.
Beispiel: Eine Aktie mit niedrigem KGV (Value), hohem Gewinnwachstum (Quality) und steigendem Kurs (Momentum) könnte besonders attraktiv sein.
Chancen und Risiken von Smart Beta & Faktor-Investing
Vorteile
✔ Höhere Renditechancen: Historische Daten zeigen, dass Faktor-Strategien den Gesamtmarkt schlagen können.
✔ Bessere Risikokontrolle: Faktoren wie Low Volatility oder Quality reduzieren Drawdowns.
✔ Kostengünstig: Faktor-ETFs sind oft günstiger als aktive Fonds.
✔ Flexibilität: Investoren können Faktoren je nach Marktphase anpassen.
Risiken
⚠ Phasen schlechter Performance: Einzelne Faktoren können über Jahre underperformen.
⚠ Höhere Komplexität: Faktor-Investing erfordert mehr Verständnis als klassische ETFs.
⚠ Timing-Probleme: Faktoren können zyklisch sein – Marktumfelder ändern sich.
⚠ Konzentrationsrisiken: Manche Faktor-Strategien führen zu stark konzentrierten Portfolios.
Faktor-Investing ist kein „Allheilmittel“, sondern eine Strategie, die über lange Zeiträume verfolgt werden muss.
Für wen ist Faktor-Investing geeignet?
Geeignet für:
✅ Langfristige Anleger, die systematisch höhere Renditen erzielen wollen.
✅ Investoren, die sich mit Marktmechanismen und wissenschaftlichen Studien beschäftigen.
✅ Anleger, die eine Alternative zu reinen Marktkapitalisierungs-ETFs suchen.
Weniger geeignet für:
❌ Kurzfristige Spekulanten – Faktor-Investing funktioniert über lange Zeiträume.
❌ Anleger, die starke Schwankungen nicht aushalten können.
❌ Investoren ohne Interesse an regelbasierten Strategien.
Für Einsteiger sind breite Multifaktor-ETFs eine gute Lösung, während erfahrene Investoren gezielt einzelne Faktoren oder Aktien kombinieren können.
Fazit – Lohnt sich Faktor-Investing?
Smart Beta und Faktor-Investing sind wissenschaftlich fundierte Strategien, um langfristig höhere Renditen zu erzielen und Risiken besser zu steuern. Durch gezielte Gewichtung von Faktoren wie Value, Momentum oder Low Volatility lassen sich klassische Marktindizes oft übertreffen.
Allerdings gibt es keine Garantie für eine konstante Überrendite – Faktoren können in bestimmten Marktphasen underperformen. Deshalb ist eine langfristige Perspektive entscheidend.
Für Anleger, die mehr aus ihrem Portfolio herausholen wollen und sich mit systematischen Strategien beschäftigen, kann Faktor-Investing eine sinnvolle Ergänzung sein. Wer sich nicht intensiv mit den einzelnen Faktoren auseinandersetzen will, kann mit breiten Smart-Beta-ETFs bereits von diesen wissenschaftlich belegten Ansätzen profitieren.
→ weiter mit: Korrelation und Kointegration – Die richtige Mischung für stabile Portfolios